Sein & Schein – in Geschichte, Architektur und Denkmalpflege

Von der Einweihung im Jahre 1905 bis Mai 2021 stand diese Kapelle, die seit jeher „Stabkirche“ genannt wird, bei der früheren Lungenheilstätte Albrechtshaus unweit von Stiege. Ein Förderverein zur Umsetzung wurde 2014 und im Jahre 2017 der Verein „Stabkirche Stiege e.V.“ gegründet, um diese Kapelle zu retten und hier nach Stiege in den Ort umzusetzen. Im Wald allein stehend war die Kapelle oft Ort von Vandalismus und Zerstörung. Diese Kapelle ist keine Stabkirche im eigentlichen Sinne, denn Stabkirchen bestehen aus senkrecht stehenden Holzstäben, auf denen die Dachlast ruht. Um sich ein Bild von einer „echten“ Stabkirche machen zu können, wird der Besuch der Kirche in Hahnenklee/Harz empfohlen. Die Bauweise stammt aus den skandinavischen Ländern, hier besonders aus Norwegen.

Die Stabkirchen wurden stets auf einem viereckigen festen Holzrahmen errichtet, der auf einem Steinsockel zum Schutz vor Wasserschäden aufgesetzt wurde. Bei den einfacheren Formen der Stabkirchen befinden sich die Masten in den Wänden des Rahmens und lassen so den Kirchenraum frei. Bei den komplexeren Maststabkirchen sind die Masten das tragende Element im Kirchenschiff und bilden mit horizontalen Balken ein Grundgerüst. Die Masten haben eine Nut und wurden auf horizontalen Balken aufgesetzt, welche auf dem Steinsockel liegen. So sind die einzelnen Masten mit horizontalen Balken miteinander verbunden, was eine solide Grundlage bewirkt. Die Masten werden wiederum oberhalb in die Nut eines horizontalen Balkens unterhalb des Dachstockes aufgesetzt. Dies gibt der Stabkirche das quaderförmige, tragende Grundgerüst. Diese Kapelle, die bis Mai 2021 am Albrechtshaus stand, hat viele Elemente, die zur Benennung „Stabkirche“ verführen. das sind die vorgezogenen Dächer über dem Eingang, die Drachenköpfe und die Firstkämme, die an den Stabkirchen auch zu finden sind.

Konstruiert wurde die Kapelle von der Firma W. Witte in Osterwieck, die später in die Firma Christoph & Unmack überging. Sie wurde in einem Katalog der Firma als „Marke Albrechtshaus“ beworben. In der Baubeschreibung von 1904 der Firma über den Neubau einer Kapelle für die Landes-Versicherungsanstalt Braunschweig auf dem Grundstück der Lungenheilstätt bei Stiege im Harz stand folgende Beschreibung:

Das Fundament wird von Stampfbeton ausgeführt. Die Plinte wird aus Granitquadern hergestellt. Der Fußboden wird in den Gängen aus Tonfliesen, in den Sitzreihen aus Holz angefertigt. Der Aufbau erfolgt in nordischer Blockhausmanier aus 70 mm starken gespundeten Bohlen, die miteinander in norwegischer Zimmerkunst verbunden sind. Die Blockwände erhalten in der Binderteilung Verstärkungsssäulen, die den Dachverband tragen. Die Dach- binder sind Holzbinder unter Verwendung eiserner Zugstangen. Das Dach wird unterseitig mit Brettern getäfelt. Die Dachfläche wird mit roten Falzziegeln eingedeckt. Das Gebäude erhält Blitzableitungsanlage. Die Feuerungen/2 Dauerbrandöfen von je 1000 cbm Heizeffekt kommen in gemauerte Nischen zu stehen und werden diese in russische Rohre geleitet, die nach § 58 der Bauordnung des Herzogtums BRAUNSCHWEIG vom Jahre 1899 und den Ausführungsbestimmungen § 5-10 hergestellt werden. Die roten Falzziegel werden hervorgehoben, weil in anderen Unterlagen von Holzschindeln berichtet wird.

Die Kapelle wurde im sogenannten Drachenstil errichtet. Bauwerke im norwegischen Drachenstil zeichnen sich in der Regel durch horizontal aufeinanderliegende massive Baumstämme aus, die auf einem Naturstein- oder Bruchsteinsockel ruhen. Die dekorativen Giebelseiten und Dachabschlüsse sowie die Tür- und Fensterverkleidungen sind die markantesten Verzierungen. Ein wichtiges Merkmal einer Stabkirche, die aufrecht stehenden Stabplanken, fehlen, so dass man bei dieser Kapelle von einer Holzkirche im Stil einer Stabkirche sprechen muss. Der Ortschronist von Stiege schreibt in seinen Veröffentlichungen von der Kapelle in Stiege. Der „Stabkirche Stiege e.V.“ hält an seiner Bezeichnung fest, eben, wie eingangs erwähnt, die Kapelle von jeher Stabkirche genannt wird.

© Lothar Kallmeyer

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